Mitarbeiter gewinnen - Zufriedenheit als Ziel

Prof. Michael J. Fallgatter vom Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisation an der Schumpeter School der Bergischen Universität Wuppertal spricht über Perspektiven von Unternehmen, die Zuwachs suchen.

Herr Prof. Fallgatter, was hilft Arbeitgebenden dabei, attraktiver für Talente zu werden?

Zunächst muss man mit potenziellen Arbeitnehmenden in Kontakt treten – und man findet sie in den sozialen Netzwerken. Denen muss man sich unweigerlich öffnen. Zwar sind etwa Top-Führungskräfte eher nicht bei Tiktok. Aber bei offenen Ausbildungsstellen führt daran kein Weg vorbei.

Wie geht es dann weiter?

Praxisbeispiele belegen, dass einfache, einminütige Videos von Auszubildenden über deren Arbeitsalltag einen guten ersten Eindruck erzeugen. Inhalte von Peer-Groups, also mit der Zielgruppe vergleichbare Personen, sind authentisch. Berichtet ein Azubi täglich über seine Tätigkeiten, wirkt das sympathisch und gewährt in nur fünf Minuten Einblicke in eine ganze Arbeitswoche.

Wie lassen sich Top-Führungskräfte gewinnen?

Arbeitskräftemangel besteht auf allen Ebenen. Bewerberinnen und Bewerber brauchen den Eindruck mittelfristiger Arbeitszufriedenheit, um den Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Die hat fünf Dimensionen: Vergütung, Perspektiven des Unternehmens und der Branche, Kolleginnen und Kollegen, Führungskräfte sowie Arbeitsaufgaben. Arbeitgebende sollten diese Dimensionen transportieren.

Wie klappt das in der Praxis?

Am besten verdeutlichen Unternehmen die Ebenen an konkreten Personen aus der eigenen Organisation. Mit Einblicken in ihre Tätigkeiten, ihre Entwicklung und Perspektiven oder in Maßnahmen zur Steigerung von Führungsqualität. Das sind einfach umsetzbare Gedanken. Man muss sich dem Thema stellen – je stärker der Wettbewerb, desto offensiver.

Warum machen das nicht alle so?

Viele kleine Unternehmen haben keine Personalabteilung. Die Geschäftsführung ist mit anderen Themen befasst. Messeauftritte und Präsentationen, etwa an Schulen, sind wichtig, benötigen aber auch Kapazitäten. Allerdings ist es meiner Ansicht nach nur eine Frage der Zeit. Fehlen massiv Arbeitskräfte, muss man etwas tun und Berührungsängste überwinden. Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme etwa sind leicht umsetzbar. Es braucht Mut, Kreativität und Menschen, die das Unternehmen repräsentieren. Daraus entsteht sicher etwas Gutes. Das Beste ist aber, Vakanzen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Wie beugen Unternehmen Vakanzen vor?

Über Commitment. Die Forschung zeigt: Bindung entsteht über drei Dimensionen. Die normative beruht auf Wechselseitigkeit. Verhält sich mein Arbeitgeber mir gegenüber wohlwollend, bleibe ich eher da. Die affektive Bindung entsteht durch emotionales Wohlgefühl aufgrund der Kolleginnen und Kollegen. Kalkulatives Commitment bezieht sich auf die Selbstbindung und die Frage: Lohnt es sich für mich, in diesem Arbeitsverhältnis zu bleiben? Da sind wir wieder bei der Arbeitszufriedenheit. Die wie auch das Commitment lassen sich messen. Die Ergebnisse geben Auskunft über das potenzielle Kündigungsverhalten in den nächsten Jahren. Das macht deutlich, wie wichtig wie es ist, sich um die eigenen Mitarbeitenden zu kümmern.

Gibt es überhaupt noch die nachhaltige Bindung an das eine Unternehmen – gerade bei jüngeren Talenten?

Langfristige Bindung ist möglich und Wunsch vieler Arbeitskräfte. Dieses menschliche Grundbedürfnis existiert weiterhin. Das trifft auch auf jüngere Generationen zu, besonders die GenZ. Wechselwilligkeit entsteht durch Arbeitsunzufriedenheit. In diesem Fall scheinen heutzutage mehr Alternativen auf. Doch nicht die Generation ist wechselwilliger, sondern die Struktur ist anfälliger. Unternehmen befinden sich in einer neuen Wettbewerbssituation. Märkte entwickeln und verändern sich schneller. Studien zeigen hierzulande und international, dass die GenZ zwar anders mit Medien umgeht, sich aber ebenso an Werten wie Leistungsbereitschaft, Beständigkeit und Familie orientiert. Die festgestellten Unterschiede sind ein Alterseffekt. 15- bis 25-Jährige werden zu einer Zukunftssituation befragt. Die Prognose ist, dass sich ihre Antworten nicht von denen älterer Generationen unterscheiden, wenn sie selbst in das Alter kommen.

Das Gespräch führte Tonia Sorrentino

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