Arbeitszeit - Einfach einen Tag weniger?

Die Vier-Tage-Woche sorgt weiterhin für reichlich Gesprächsstoff. Die Mehrheit der Unternehmen im Bezirk der Bergischen IHK ist von dem Modell wenig begeistert. Es verstärke den Fachkräftemangel. Manche sammeln jedoch positive Erfahrungen.

Freitag, kurz nach 12 Uhr: „Leider rufen Sie außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Sie erreichen uns montags bis donnerstags von 9 bis 17.30 Uhr.“ Bei der Wuppertaler Digitalagentur Shetani läuft nur noch die Bandansage. Im Sommer 2022 hatte das Unternehmen testweise eine Vier-Tage-Woche alle zwei Wochen eingeführt. Nach einem halben Jahr wurde ein Fazit gezogen mit dem Ergebnis: „Wir bleiben bei diesem Modus.“ Anfangs sei der freie Freitag recht ungewohnt gewesen, erinnert sich Geschäftsführer Lars Heidemann. „Außerdem hatten wir Bedenken, ob wir mit der Stundenzahl hinkommen würden.“

Denn schließlich gibt es mehrere Modelle einer Vier-Tage-Woche: etwa 40 Stunden an vier Tagen oder vier Tage bei Gehaltsanpassung. „Wir haben uns dazu entschieden, dass wir die Vier-Tage-Woche einführen, volles Gehalt weiterzahlen und die Stunden entsprechend reduzieren“, so Unternehmer Heidemann. „Es stellte sich schnell heraus, dass die Motivation, alle Arbeiten der Woche am Donnerstagabend fertig zu haben, größer wurde. Außerdem sei das Team nach dem langen Wochenende erholter in die neue Woche gestartet. „Dies wiederum führte dazu, dass weniger Fehler bei der täglichen Arbeit gemacht wurden und weniger Nachbesserungsbedarf, sprich Aufwand, entstand.“ Bei der Shetani oHG ist man sich sicher: „Die gesteigerte Effizienz gleicht einen Teil der weniger geleisteten Stunden aus.“ Hinzu komme, dass die durchschnittlichen Krankentage gesunken sind. „Dies kompensiert in nicht unwesentlichem Maße ebenfalls die eigentlichen ,Minderstunden’“, sagt Lars Heidemann.

An der Vier-Tage-Woche scheiden sich die Geister – im Kammerbezirk der Bergischen IHK allerdings nicht hälftig. Hier steht der Tenor der Mehrheit fest: Insgesamt 59 Prozent der bergischen Unternehmen lehnen die Vier-Tage-Woche kategorisch ab. Das ist eines der Ergebnisse einer IHK-Blitzumfrage, an der sich insgesamt 409 bergische Betriebe unterschiedlicher Größen und Branchen beteiligt haben (41 Prozent Dienstleistungssektor, 30 Prozent Industrie, 17 Prozent Groß- und Einzelhandel, außerdem Banken und Versicherungen sowie das Verkehrs- und das Gastgewerbe). „Mit weniger Arbeit ist ein Wirtschaftswachstum schwierig“, lautet ein Feedback. Leiden würden unter der Umstellung der Kundenservice, die Flexibilität und die Arbeitsmoral, heißt es in den Antworten der Unternehmen. „Der Arbeitsaufwand lässt sich nicht auf vier Tage komprimieren“, so ein anderer Einwand. Oder es müsste zusätzliches Personal eingeplant werden.

Immerhin: 13 Prozent bieten das Modell – etwa Shetani – bereits an. Die restlichen Betriebe können es sich zumindest unter bestimmten Umständen vorstellen. Von ihnen lehnen allerdings 80 Prozent einen vollen Lohnausgleich ab. Realistisch sei entweder eine unveränderte Wochenarbeitszeit oder eine Reduzierung ohne Lohnausgleich. Bei den Unternehmen mit Vier-Tage-Woche wurde vor allem auf die höhere Flexibilität für die Mitarbeiter hingewiesen, was zu deren höherer Zufriedenheit und damit besserer Mitarbeiterbindung führe. Die Gegner der Vier-Tage-Woche halten diese in ihrem Betrieb vor allem deshalb nicht für umsetzbar, weil es den bestehenden Arbeitskräftemangel noch weiter verstärken würde. Viele wiesen auch darauf hin, dass mit einer Vier-Tage-Woche die Service-Ansprüche ihrer Kunden nicht mehr erfüllt werden könnten.

„Den Kunden gegenüber haben wir unsere Form der Vier-Tage-Woche sehr deutlich kommuniziert“, sagt Lars Heidemann. Einigen sei die Änderung noch nicht einmal aufgefallen. „Um es den Kunden einfacher zu machen, haben wir mitgeteilt, dass wir freitags nie für externe Termine zur Verfügung stehen. Wir nutzen den Tag, um in Ruhe alle Arbeiten zu erledigen.“

Knapp die Hälfte der antwortenden Unternehmen der IHK-Umfrage biete flexible Arbeitszeitmodelle an. Am häufigsten genannt wurden Teilzeit, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit und eine Kombination aus Präsenzarbeit und Homeoffice. „Ich bin davon überzeugt, dass es uns schon viel öfter gelingt, als wir uns eingestehen, betriebliche und persönliche Belange in Einklang zu bringen“, sagt Christine Berghaus vom Remscheider Räumwerkzeuge-Spezialisten August Berghaus mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in der Wirtschaft. Und genau darum gehe es doch: „Die Flexibilität muss hoch sein – nicht nur privat als zusätzliche Freizeit, sondern auch betrieblich zur Steigerung der betrieblichen Effizienz. Und sie wird weiter steigen, wenn wir am Ball bleiben wollen.“

Homeoffice spielt bei Berghaus eine untergeordnete Rolle. In einem derart technischen Betrieb gibt es wenige Stellen, die dafür in Frage kommen. Etwa 80 Prozent der Belegschaft arbeiten in der Fertigung. „Gemeinsam mit unserem Betriebsrat haben wir ein Modell erarbeitet und eingeführt, in dem montags bis donnerstags Stunden herausgearbeitet werden, so dass freitags noch ein guter halber Tag gearbeitet wird“, berichtet die Geschäftsführerin. Dieses Modell gilt für die Beschäftigten in Früh- und Spätschicht. Mitarbeitende auf Tagschicht fahren überwiegend Vollzeitmodelle, „die auf die betrieblichen und persönlichen Belange abgestimmt sind“.

Christine Berghaus betont, dass sie die Vier-Tage-Woche kritisch sehe, sie aber nicht grundsätzlich ablehne. „Wir müssen die Debatte differenziert und konkret führen.“ Dabei sollte man die Personalverfügbarkeit, Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe nicht aus den Augen verlieren. „Seien wir realistisch: Geht mit einer Vier-Tage-Woche eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit einher, also zum Beispiel auf 32 Stunden, ist das eine Reduktion um 10 bis 20 Prozent. Wie wollen wir diesen Produktionsausfall in Fertigungshallen auffangen?“ Aus ihrer Sicht ist es sinnvoller, die Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung zu fördern und es den Betriebsparteien zu überlassen, die jeweils passenden Modelle umzusetzen, „anstatt uns immer weiter zu regulieren und einzuschränken“.

IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge ist „persönlich kein Fan der Vier-Tage-Woche“. Doch natürlich, betont er, würde er sich dem nicht verschließen, wenn sich die Mehrheit der Unternehmen eindeutig dafür aussprechen würde. „Was aktuell ja nicht der Fall ist.“ Grundsätzlich sei es jedem Unternehmer selbst überlassen, individuelle Lösungen in Sachen Arbeitszeit zu finden. „Wichtig ist nur, dass es für beide Seiten – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – gleichermaßen Sinn ergibt.“

„Das Vier-Tage-Model ist vielleicht nicht für alle Unternehmen umsetzbar“, sagt auch Befürworter Lars Heidemann. „Und es wird Unternehmen geben, die dadurch mehr Mitarbeitende einstellen müssten, etwa in der Pflege oder in anderen präsenzpflichtigen Berufen.“ Das sei bei dem aktuellen Personalmangel nur schwer oder gar nicht umzusetzen. „Hierfür habe ich volles Verständnis. Aber sich mit dem Modell zu beschäftigen und kreative Lösungen zu finden, ist ein Weg nach vorne. Und es zeigt den Mitarbeitenden, dass man sich mit der Idee flexibler Arbeitsmodelle beschäftigt. Das ist auch schon viel wert.“

Text: Daniel Boss

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