Transformation - Wirtschaftspolitik der Zukunft
Unsere Wirtschaft wandelt sich tiefgreifend: Klimaneutralität, Umweltverträglichkeit, Schonung der Ressourcen erfordern ein Umdenken. Die Professoren Lambert T. Koch und Hans A. Frambach zeigen, wie Wirtschaftspolitik aussehen müsste, wenn die Transformation gelingen soll.
Ihr Buch beschäftigt sich mit der Frage der Transformation: 200 Jahre Fossile-Energie-Geschichte sollen in 20 Jahren überwunden werden. Ist das überhaupt möglich?
Koch: Sagen wir so: Es wäre Beachtliches möglich. Aber es gibt einen Zielkonflikt zwischen Geschwindigkeit und Machbarkeit. Wenn sich die Gesellschaft von der Politik abgehängt fühlt, wird die Transformation scheitern. Überzeugungsarbeit und sozialer Ausgleich zwischen Transformationsgewinnern und -verlierern kosten Zeit und Geld. Da beides knappe Ressourcen sind, muss Transformationspolitik diese viel gezielter einsetzen als bislang und kann sich wenig Fehler leisten – etwa, was die transparente Vermittlung geplanter Transformationsschritte betrifft.
Welche Hindernisse stellen sich für die Wirtschaftspolitik in der Transformation als besondere Herausforderungen dar?
Frambach: Es gibt vielfältige Hindernisse, etwa ökonomischer, geostrategischer oder auch technologischer Art. Beispielsweise können zu strenge einseitige Umweltauflagen Deutschland im internationalen Wettbewerb schaden. Koch: Ein Problem ist auch, dass sich andere Länder aus den gemeinsamen Anstrengungen zur Klimarettung ausklinken, sodass die Bemühungen der verbleibenden Player am Ende nicht reichen. Außerdem kann eine zu einseitige Technologiepolitik neue, möglicherweise viel aussichtsreichere Technologien benachteiligen.
Was kann Politik dazu beitragen, das Abwandern der Unzufriedenen an die Ränder des demokratischen Spektrums zu verhindern?
Koch: Politik muss Narrative entwickeln, die bis in die Lebenswelt der transformationskritischen Menschen reichen. Die Erzählungen müssen dazu geeignet sein, Ängste davor abzubauen, dass man abgehängt wird. Außerdem muss transportiert werden, dass es sich lohnt, das eigene Leben in puncto Wohnen, Ernährung und Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Frambach: Natürlich muss dies alles der Wahrheit entsprechen, um nicht Vertrauen zu verspielen.
Wie kann Politik auf die Aspekte des menschlichen Widerstandes gegen die Veränderung agieren? Welche Mittel hat sie überhaupt dazu?
Koch: Es ist ein anthropologischer Grundzusammenhang, dass Gefühle der Ohnmacht Menschen blockieren. Ein zu schneller Wandel kann dies begünstigen. Ohnmacht aber kann durch Verstehen und das Erkennen von Chancen abgebaut werden. Daher bedarf es etwa schon in der frühkindlichen Bildung eines umfassenden Aufnehmens der Transformationsthematik. Aber auch jeder einzelne politische Schritt muss von einer erklärenden Kommunikation begleitet werden.
Was sind die drei wichtigsten wirtschaftspolitischen Weichenstellungen, die die Politik angehen muss, um den Wandel anzutreiben?
Koch: 1. Überzeugungsarbeit bei den Konsumenten leisten, damit eine intrinsische Motivation entsteht, sich an der Nachhaltigkeitswende zu beteiligen. 2. Attraktive Produktionsbedingungen für neue Technologien schaffen, sodass wegfallende Kapazitäten und Arbeitsplätze durch neue überkompensiert werden. 3. Internationale Lösungen dafür suchen, damit es sich für Staaten immer weniger lohnt, gemeinsame Transformationsanstrengungen zu unterlaufen.
Sie sprechen von der „Demokratiefalle“ in der Transformation. Was macht demokratische Gesellschaften anfälliger für Probleme in der Transformation?
Frambach: Die Stärke demokratischer Gesellschaften, nämlich ihr hoher Grad an individueller Freiheit, macht sie zugleich schwach: Gerade im Zuge der Nachhaltigkeitstransformation werden die Wohlstandspositionen ihrer Mitglieder durcheinandergewirbelt. In der Folge kommt es zu langwierigen Aushandlungsprozessen zwischen Politik und Interessengruppen. Jeder versucht, nicht Verlierer, sondern Gewinner des Wandels zu sein. Dies politisch so zu orchestrieren, dass die ursprünglichen Transformationsziele nicht aus den Augen geraten, kann in freiheitlichen Demokratien viel anspruchsvoller sein als in weniger demokratischen Gesellschaften.
Das Gespräch führten Kerstin Fasel und Eike Rüdebusch