Soziale Angebote für alle Generationen - Menschen, die sich begeistern lassen
Seit bald 50 Jahren leistet das Wichernhaus Wuppertal Sozialarbeit für Menschen, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Aufgrund der Einsparungen im Bundeshaushalt muss der Trägerverein nun sein Tätigkeitsfeld anpassen.
Der Name „Wichernhaus“ ist einprägsam, doch im Grunde führt er an der Realität vorbei. Der Wichernhaus Wuppertal e. V. und die gleichnamige gemeinnützige GmbH bestehen nämlich nicht aus einer Einrichtung. Das Wichernhaus vereint unter seinem Dach vielmehr elf Adressen in unterschiedlichen Bereichen für und mit Menschen. Das Spektrum des Vereins, der Mitglied im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe ist, umfasst die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Familien in Bereichen wie Schule, Ausbildung, Arbeit und Freizeit.
Geschäftsführerin Regine Widmayer-Wagner muss selbst kurz überlegen, wenn sie gefragt wird, wie viele Einrichtungen das Wichernhaus in Wuppertal unterhält. „Bei uns hat sich immer eins aus dem anderen ergeben“, berichtet sie. 1978 startete der Verein Wichernhaus Wuppertal mit dem Betrieb eines Wohnheims für Straffällige. Damit setzte der Verein die Arbeit des 1826 gegründeten „Elberfelder Hülfs-Vereins der Rheinisch-Westphälischen Gefängniß-Gesellschaft“ fort. Benannt wurde der Verein nach dem Theologen und Sozialpädagogen Johann Hinrich Wichern (1808-1881), der als Wegbereiter der christlich-sozialen Bewegung und Gründer der modernen Diakonie gilt.
In den folgenden Jahren wuchs die Palette der Themen, denen sich das Wichernhaus zuwandte, weiter. Ein paar Daten im Schnelldurchlauf: 1983 folgte das erste Beschäftigungsprojekt, der „Möbel-Dienst“. 1999 öffnete die Skatehalle „Wicked Woods“ ihre Pforten. 2005 stand die Eröffnung des „Brockenhauses“ an. 2015 wurde die Wichernkapelle an der Nordbahntrasse eröffnet. Und 2018 nahm das Qualifizierungszentrum Textil im früheren Ausbildungszentrum der Rheinischen Textilindustrie seinen Betrieb auf. Mitarbeitende des Wichernhauses reinigen auch etwa die Nordbahntrasse.
Der kurze Abriss, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit nimmt, zeigt, wie vielschichtig die Arbeitsfelder der mittlerweile rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wichernhauses Wuppertal sind. Bei der Entwicklung der Angebote „waren immer die Ideen leitend“, berichtet Widmayer-Wagner, die seit 2017 Geschäftsführerin ist. „Und dann haben wir Menschen gefunden, die sich haben begeistern lassen!“
Um Menschen zu begeistern, müssen allerdings auch die Rahmenbedingungen stimmen. Angesichts der aktuellen Einsparungen beim Jobcenter Wuppertal stehen derzeit einige Projekte auf der Kippe. Dazu gehört nach wie vor die Skatehalle „Wicked Woods“ an der Nordbahntrasse. Dort wurden die Beschäftigten des Zweiten Arbeitsmarktes von 15 auf drei Mitarbeiter reduziert. Gleichwohl halte man aktuell alle Angebote für die Kinder und Jugendlichen offen, berichtet Projektleiter Dirk Blaeser: „Wir haben hier 363 Tage im Jahr geöffnet.“ Die Skatehalle stehe nicht nur Scooter-Fahrern, BMXern oder Skateboardern offen, sondern sei vormittags auch für Grundschulklassen geöffnet, die dort etwa ein Fahrradtraining absolvieren können.
Dass ausgerechnet die Skatehalle von der Schließung bedroht ist, muss den Verantwortlichen wie ein schlechter Witz vorkommen, ist „Wicked Woods“ doch eine Einrichtung, die konstant Zuwachszahlen verzeichnet, bundesweit sowie international ein Begriff ist und Vorbildcharakter in der Kinder- und Jugendarbeit hat. Widmayer-Wagner hofft, dass das Jobcenter im Laufe des Jahres doch noch Mittel für den Betrieb bereitstellen kann. „Mit 23.000 Besuchern jährlich und etablierten internationalen Contests ist die Skatehalle ein bedeutender Standortfaktor für Wuppertal“, erklärt sie.
„Derzeit sind wir in einem Anpassungsprozess“, räumt Widmayer-Wagner mit Blick auf das Wichernhaus und sein Geschäftsmodell ein. Man wolle trotz der teilweise finanziell angespannten Lage „keine bestehenden Strukturen zerstören“, müsse aber die weitere Entwicklung abwarten. In diesem Sinne ist die Geschäftsführerin auch zuversichtlich, dass gemeinsam mit der Stadt und dem Jobcenter eine Lösung gefunden wird.
Text: Michael Bosse