Musik aus Solingen - Künstlerischer Ausdruck

Die Solinger Suzan Köcher und Julian Müller sind mit ihren Bands „Suzan Köcher‘s Suprafon“ und „Blackberries“ weit über die Grenzen der Region bekannt. Ihre Konzerte brachten sie bis nach Texas.

Sie arbeiten seit vielen Jahren als Musiker, gab es einen bestimmten Auslöser, der diesen Weg mitbestimmt hat?

Müller: Ich habe als Kind schon gemerkt, dass Musik mein Element ist und habe auf langen Autofahrten selbstausgedachte Melodien im Kopf gehabt, wie eine Endlosschleife. In der Grundschule habe ich angefangen, Blockflöte, Jahre später dann mit 16 Jahren Gitarre und Schlagzeug zu spielen. Für mich waren die Beatles der Gamechanger. Ich hatte vier Jungs im Fernsehen gesehen, die in der Mini Playback Show den Song „Twist and Shout“ performten. Der hat mich nicht mehr losgelassen, ich habe ihn ständig vor mich hingesummt. Solange, bis mein Vater mir seine Beatles-CDs in die Hand drückte. Dann habe ich diesen einen Song bestimmt tausend Mal gehört. Der ist für mich immer noch einer kraftvollsten, inspirierendsten Songs aller Zeiten. Die Beatles waren eine große Inspiration für mich, auch Künstler wie Chuck Berry und Buddy Holly. Das hat mich abgeholt, im Gegensatz zu der Musik, die damals Mainstream war. Köcher: Ich fand Musiker und Musikerinnen, die auf der Bühne stehen, schon als Dreijährige faszinierend. Ich erinnere mich daran, dass ich die „Vogelhochzeit“ von Rolf Zuckowski im Fernseher gesehen habe und wirklich baff war. Diese Farben, die Songs, die Kostüme, das hat mich damals gefesselt. Das war wohl der Moment, in dem ich spürte: Das ist was für mich. Die bewusste Entscheidung, Musik zu machen, kam dann als Jugendliche, nachdem ich Klavier- und Gitarrenunterricht genommen hatte und anfing, Songs zu schreiben. Darin habe ich meine Form gefunden, anderen etwas zu sagen.

Hat sich dann Ihr ganzes Leben immer um Musik gedreht?

Müller: In erster Linie schon, wir haben aber auch beide studiert, Suzan Soziale Arbeit, ich Sonderpädagogik. Das ist auch beruhigend, dass wir das in der Hinterhand haben.

Aktuell haben Sie sich aber entschieden, hauptsächlich Musik zu machen …

Müller: Wir machen Musik aus Leidenschaft und identifizieren uns sehr damit. Meiner Meinung nach ist es schwer, Musik nur „nebenbei“ zu veröffentlichen. Es gehört ja viel mehr dazu, als „nur“ Arrangements und Texte zu schreiben. Man muss auch Promotion und Social Media machen, Konzerttermine organisieren, proben, Videos aufnehmen und schneiden, total viele Sachen.

Wie nennt man den Stil Ihrer Musik?

Müller: Schwierig zu sagen, das ist ja kein starres Gebilde, das entwickelt sich immer weiter. Man könnte für Suzan Köcher’s Suprafon Psychedelic Dream Pop sagen - für die Blackberries psychedelischen Krautpop. Wir lieben Melodien und freuen uns natürlich auch darüber, wenn Songs von uns wie „Cinnamon“, „Living in a bad place“ und „Seventeen“ im Radio laufen. Der rote Faden, der alles verbindet, ist unsere musikalische Persönlichkeit.

Solingen als Standort, ist das für Sie ein Vor- oder Nachteil?

Müller: Beides. Viele denken, die Musik, die wir machen, müsste aus einer Stadt wie Berlin oder Köln kommen. Oft wundert es die Leute, wenn sie hören, dass wir aus Solingen kommen und immer noch hier leben. Ein Nachteil ist definitiv, dass wir hier in Solingen keine vitale Clubszene haben, wo wir häufig auf Gleichgesinnte oder Leute aus dem Musikbusiness treffen. Andererseits hat Solingen eine lange Musik-Tradition. Das hab ich auch in meiner Dokumentation / Show „Rockcity is Electric“ aufgegriffen. Da traten auch Musiker auf, die in den 1960er und 1980er Jahren große Erfolge gefeiert haben.

Sie haben schon auf vielen Bühnen gestanden, auch in den USA, sind beim WDR Rockpalast aufgetreten - wie ist der Moment, bevor man auf die Bühne geht?

Köcher: Ich habe immer noch eine gewisse Aufgeregtheit, vor allem, wenn Leute im Publikum sind, die ich gut kenne. Ich wärme meine Stimme auf, dehne mich, ziehe in Ruhe meine Bühnenklamotten an. Ein Ruhepol ist auch das Schminken, da gehe ich den Ablauf noch mal innerlich durch. In dem Moment, wenn ich dann auf der Bühne stehe, fällt die Nervosität total ab. Dann bin ich in meinem Element. Müller: Bei mir ist das anders. Ich rede vor den Konzerten noch gern mit den Leuten oder checke die Instrumente.

Braucht es Drogen, um Musik zu machen?

Müller: Nein. Fantasie. Und Zeit. Die Musik selbst ist unsere „Droge“. Alles andere lähmt nur, nicht unser Ding.

Was braucht es, um von der Musik leben zu können?

Köcher: Vor allem: einen Proberaum. Eine Range an Instrumenten. Und ein Netzwerk. Aufs Leben bezogen: Man muss mit finanziellen Unsicherheiten leben können. Und das ist manchmal echt hart. Deshalb sollte man auch gut mit Geld haushalten können. In den Wochen, in denen wir zum Beispiel eine Platte aufnehmen, kommt ja erst mal nichts rein. Bekommen wir Gema-Einnahmen? Kommen die Leute zu unseren Konzerten, kaufen sie das Album? Das wissen wir vorher nicht.

Was ist der schönste Aspekt am Musiker-Dasein?

Köcher: Einen Weg gefunden zu haben, auszudrücken, was man fühlt. Besonders toll ist die Wechselwirkung mit dem Publikum, ein Geben und Nehmen. Müller: Der Prozess, dass ein Song entsteht. Das ist aber auch das Schlimmste, diesen Prozess abzuschließen und nicht immer weiter daran herumzudoktern. Perfektionismus steht einem da manchmal auch im Weg. Für mich ist aber der Austausch mit anderen Musikern auch toll, ob auf der Bühne oder im Studio. Gemeinsam Musik zu machen, dieses energetische Zusammenspiel, das macht mich sehr glücklich.

Und was ist das Herausfordernde an Ihrem Beruf?

Köcher: Finanziell davon leben können. Vielleicht auch, auf der Bühne über sich hinauszuwachsen, alles zu geben. Mittlerweile nutze ich die Bühne, um meine extravagante Seite auszuleben. Ich fühle mich da wirklich wohl und habe das Gefühl: Es kann nichts Falsches passieren. Müller: Auf der Bühne packt man sich und alles, was man kann, auf den Teller. Und wird eins zu eins bewertet, ganz direkt und ehrlich. Im besten Fall mit Applaus. Diese positive Resonanz ist großartig und pusht. Man muss aber auch verdauen, wenn es mal nicht so gut läuft.

Was ist es, was Sie darin bestärkt, weiter Musik zu machen?

Köcher: Ich möchte die Leute zum Fühlen bringen. Der künstlerische Ausdruck ist mein Lebensziel. Das bleibt, auch, wenn ich nicht mehr hier bin.

Was mögen Sie am Bergischen Land besonders gern?

Müller: Die Natur, bergische Waffeln mit Milchreis und natürlich unsere Familien und Freunde.

Haben Sie einen Geheimtipp im Bergischen?

Köcher: Geheim ist es nicht, aber, wenn wir Gäste haben, machen wir oft einen Ausflug nach Solingen Burg – an diesem Ort kommt vieles zusammen, was besonders an der Region ist. Wunderschöne Natur, die bergische Kaffeetafel, alte Fachwerkhäuser und natürlich Schloss Burg selbst. Dort haben wir auch das Fotoshooting für meine erste EP „Blood Red Wine“ gemacht.

Das Gespräch führte Liane Rapp.

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